Im Interview mit Stimmbildnerin
KAROLINE WEIDT


Franzi und Karoline sitzen im Garten der Kirche auf der Rehefelder Straße, unserem Ausweich-Probenort. 

Franzi: Liebe Karoline. Ich freue mich, dass wir jetzt das Interview zusammen führen.
Wie geht’s Dir denn aktuell? In dieser aktuellen Lage und mit den ganzen Sachen, die jetzt auf Dich zukommen?

Also mir geht’s sehr gut.
…weil ich Sommer liebe und jetzt ist es ja endlich mal warm. Und ich bin da echt ein ganz anderer Mensch als im Winter. Da bin ich immer so ein bisschen herunter gefahren, hab ich so im Gefühl.
…und dann stehen jetzt ganz viele tolle Sachen an, weil ja jetzt die ganzen Corona-Auflagen gelockert werden und jetzt Open-Air-Konzerte stattfinden können. Da ist dann das Konzert beim Palais-Sommer und noch etwas früher ist dann mein Master-Abschluss-Konzert. (Laut Aussagen einiger Choris war es ein sehr emotionales und großartiges Abschlusskonzert. Sie hat einige von uns zu Tränen gerührt!)
Und dann kommen Auslands-Konzerte. Und das ist so schön!
Wir spielen in der Schweiz bei einem Jazz-Festival. Im Oktober spielen wir in Tschechien. Und ganz neu werden wir in Kaliningrad spielen Ende September. Das ist ziemlich cool.

Franzi: Oh, das ist echt cool. Mensch, was für eine Ehre, dass wir dich als Stimmbildnerin haben! 

Karoline Weidt


Du übernimmst bei uns im Jazzchor Dresden die Stimmbildung. Was ist Dir denn bei der Stimmbildung besonders wichtig?
Mir ist besonders wichtig, dass kein Mensch etwas von außen aufdoktriniert bekommt, was er eigentlich gar nicht so empfindet. Weil dann ist es auch nicht wirkungsvoll. Oder es kann im schlimmsten Fall zu irgendwelchen Stimmproblemen kommen. Mir ist sehr wichtig, dass es innerlich auch nachvollzogen wird, was die Muskeln machen zum Beispiel, wie es sich anfühlt und dass das jede*r nachvollziehen kann. Und ich dann nicht von draußen irgendwas draufstülpe. 

Franzi: Ja, das merke ich auch immer. Du arbeitest gern mit Bildern, damit man sich das auch körperlich vorstellen kann, in was für eine Richtung es gehen soll. 

Karoline: Da gibt es aber auch ganz verschiedene Typen. Es gibt Leute, die können mit Bildern gar nichts anfangen. Das ist dann Quatsch. 
Oder es gibt dann noch Leute, denen hilft eine bestimmte Metapher. Und am besten ist es, wenn man das mit der Person gemeinsam entwickelt. 
Wieder andere Personen brauchen eine Bewegung dazu, um solche Sachen besser spüren zu können. 

Online-Stimmbildung zu Corona-Zeiten: mit Nancy (Alt1; links) und Karoline (rechts)

Gibt es eine Übung, die Dir am meisten Freude bereitet? Oder die Du für Dich als ganz gut empfindest?
Na ja, das wechselt immer mal wieder. Aber Schleifübungen kann man immer machen. Das kann man zum Warm-up machen, das kann man zum Coold-Down machen. Das kann man in allen Lagen machen. 


Was macht Dir denn an der Stimmbildung beim Jazzchor Dresden besonders viel Freude und Spaß?
Also beim Chor sind halt alle wahnsinnig unterschiedlich. Natürlich von der Persönlichkeit, das spielt da auch immer eine Rolle.
Und dann von der Vorerfahrung. Bei jedem und jeder haben sich so kleine Sachen eingeschlichen, über die viele so gar kein Bewusstsein haben. Und ich find’s ganz toll, genau das zu entdecken und das dann als sichere Basis zu nehmen und dann auszuweiten, um dann für die Stimmgruppe gemeinsame Klänge zu finden und einen gemeinsamen Chorklang. 
Und die eigene Stimmfarbe geht ja dadurch nicht verloren, die wird nur flexibler. 

Franzi: Ich finde das auch immer so schön. Ich hab das Gefühl, so eine Stimme ist ja auch Teil einer Persönlichkeit.
Karoline: Ja. Tatsächlich. 

Was sind für Dich Herausforderungen bei unterschiedlichen Leuten mit unterschiedlichen Voraussetzungen? 
Eine große Herausforderung ist, dass die Leute, also die Sängerinnen und Sänger, das selbst gut finden, was sie machen. Viele sind unsicher, weil sie denken, dass sie schlecht sind oder nicht so gut. Aber es ist eigentlich schon so viel da. Jede*r hat ja dieses Potential. Und dann stehen sich die Leute selbst im Weg und können das gar nicht ausschöpfen, weil der Kopf im Weg ist. Genau, der Kopf, der ist es. 

Wie hat sich der Chor aus Deiner Sicht in den letzten Jahren entwickelt?
Ich finde, sehr positiv. Ich finde, alle haben jetzt so ein klareres Verständnis von Sound und von dem, was sie eigentlich machen. Und das hat viel mit Klangvorstellungen zu tun. Also nicht mit “Der Muskel macht jetzt das und jetzt stelle ich hier den Kehlkopf so ein.” Das ist dann erst der zweite Schritt und ist dem auch untergeordnet.
Also diese Klangvorstellung, die sich entwickelt hat, wie man die formen kann und wie man gemeinsam klingen kann, das hat sich sehr entwickelt. 
Und natürlich, dadurch dass wir kontinuierlich Stimmbildung machen, auch das Bewusstsein für die eigenen Vorgänge und die eigene Körperwahrnehmung, also die Selbstwahrnehmung. 

Gruppenfoto beim MDR-Vereinssommer – unsere Chorfamilie

Und wie hat der Jazzchor in den letzten Jahren Dein Leben beeinflusst? Welche Rolle spielt der Jazzchor für Dich?
Ich hab vorhin schon zu Sarah gesagt: “Ach, das ist immer schön montags.” Der Jazzchor ist eine Sache, auf die ich mich eigentlich immer freue. Und das kam auch erst mit Zeit. Eigentlich je länger ich hier arbeite, umso mehr freue ich mich, hier zu arbeiten. Wenn man immer weiter mitkriegt, was für tolle Menschen das hier eigentlich sind. Alle sagen, das ist so eine Jazzchor-Familie und das kann ich total bestätigen.
Es ist immer schön, alle zu sehen und alle haben so eine Passion für das, was hier passiert. Das ist so toll.


Du hast bereits erwähnt, das ganz viele Konzerte auf Dich und das Karoline-Weidt-Quartett warten. Ihr habt ja auch im Frühjahr euer erstes Album und die Single “The Dream” veröffentlicht. Und diese Premiere war ein voller Erfolg!

Wie war das für Dich? Erzähl mal! Was waren so Eure Eindrücke im Hintergrund? Und wie hat sich das dann so entwickelt?
Die CD haben wir schon im Oktober 2020 kurz vor dem Lockdown aufgenommen und dann konnten wir es nicht veröffentlichen. Wir hatten auch nie ein Release-Konzert. Das wird jetzt erst (Master-Abschlusskonzert), da werden wir es das erste Mal so richtig spielen, bzw. beim Palais-Sommer das erste richtige Konzert geben.
Man sieht ja immer nur die Veröffentlichungen und dass man die Posts danach teilt. Aber was da für Vorarbeit drin steckt, was hinter den Kulissen so abgeht, sieht man im besten Fall gar nicht. Und dadurch, dass ich diese Band auch selbst manage, und wir das selbst DIY-mäßig an die Öffentlichkeit gebracht haben, gab’s da ganz viele Sachen, die zu beachten waren.
Das geht ja schon damit los: Wo nehmen wir auf? Wer mischt es? Wer mastert es? Welche Takes nehmen wir? Wie sieht das Art-Work aus? Wie heißt es? Welche Titel kommen überhaupt drauf? Es gibt so viele Sachen…

Und wenn man es dann hat, wie release ich das dann?
Es gibt natürlich Plattenlabels, aber auch da verändert sich die Musikwirtschaft gerade, dass man das auch selber veröffentlichen kann. Das kann man dann online releasen. Dadurch, dass wir nun keine Release-Party machen konnten… 

Dadurch haben wir das dann über Record-Chat, das ist ein Online-Distributer, released. Der bringt das dann zu Spotify, zu Apple-Music, zu Amazon u.s.w. Und dann würde es ja total verpuffen, wenn man es nicht teilt. Das heißt ich hab dann auch einen Plan erstellt, wie wir das vorab bewerben können. Mit kleinen Teasern u.s.w. Und wir haben uns überlegt, für einen Song, den Titelsong, auch ein Musikvideo zu machen. Das hat der Maximilian Bollow produziert.

“The Dream” – Karoline Weidt Quartett; prod. von M. Bollow

Das war auch cool bei der EP: ich hab ganz viele Jazzmagazine und Zeitungen angeschrieben und hab da auch ganz tolle Porträts und Reviews bekommen, auch vom MDR-Fernsehen. Deutschlandfunk Kultur hat sich gemeldet, ob die ein Porträt machen dürfen. Und wenn man dann einmal was veröffentlicht hat, kriegen das auch andere mit. 

Wie auch mit dem Preis, den wir in der Schweiz gewonnen haben. Das hat dann einmal die Runde gemacht und dann haben wir Anrufe bekommen, ob wir nicht dort und dort spielen wollen. Und dann wurde das da und da geteilt.
Wenn man da einmal was macht, hat das hoffentlich so einen Ping-Pong-Effekt. Und dann muss man wieder arbeiten, damit man darauf dann aufbauen kann und in Erinnerung bleibt. 

Hier bekommt ihr noch einen kleinen Höreindruck des Karoline Weidt Quartetts beim “Festival da Jazz 2021 St.Moritz (Schweiz)

Rezension zum Album-Debut “The Dream”

Und als die Premiere des Videos war, habt Ihr euch dann angeguckt, wie viele Klicks kommen? Oder habt Ihr Euch dann gegenseitig angerufen?
Da wir keine echte Release-Party feiern konnten, haben wir eine virtuelle Release-Party gemacht. Es gibt ja so die Möglichkeit, über Instagram live zu gehen oder einen Live-Stream über Youtube zu starten. Und dann haben wir über Instagram miteinander angestoßen. Das war sehr schön.

Und dann trudelten tolle Nachrichten ein. Wir haben das im Lockdown so etabliert, dass wir jede Woche miteinander geskypt haben, weil wir uns ja sonst auch nicht sehen konnten. Und dann was das immer so cool, sich über die Neuigkeiten zu erzählen. Und dann haben wir eine Whatsapp-Gruppe, die wurde dann teilweise überflutet. “Oahr, der und der hat das geschrieben.” oder “Oh guck mal, ich hab eine Anfrage von M…bekommen.”
Und wir freuen uns alle riesig und das ist auch so toll an der Band, dass wir das gemeinsam machen, gemeinsam besprechen und auch gemeinsam umsetzen. Da steht keine*r alleine da. 

News im August: Wir waren in ein paar Locations in Dresden unterwegs, um unser zweites Musikvideo zu drehen. Wir haben vor ein paar Wochen einen neuen Song aufgenommen, eine neue Single, die wir am 29. August releasen werden mit diesem neuen Video.

Franzi: Zum Abschluss wünsche ich dir und deinem Quartett einen ganz tollen Konzertsommer, anders kann man das ja fast gar nicht sagen. Und das ist eh das Größte und Schönste, wenn man das mit ganz vielen Konzerten feiern kann. 

Karoline: Und ich freue mich auch richtig, die Entwicklung eures neuen Albums mit zu beobachten.
Ihr entwickelt da ja auch was echt Neues. Das sind Stücke nur für Euch, die Ihr von Anfang an aufbauen werdet. Und da kann Stimmbildung auch so wahnsinnig kreativ sein. Weil man die Musik formt mit dem Klang. Das wird spannend! 

Franzi: Da freuen wir uns auch sehr drauf. Und so lang, bis deine Karriere dich woanders hinverschlägt, werden wir die Bereicherung deiner Stimmbildung und musikalischen Begleitung in vollen Zügen genießen.
Vielen Dank für dieses schöne Gespräch und alles Gute für dich, liebe Karoline! 

Das Interview führte Franziska (S2). 

Die CD “The Dream” ist über Karoline selbst erhältlich:  info@karolineweidt.de
Weitere Musik vom Karoline Weidt Quartett gibt es außerdem auf iTunes und Amazon Music